· 

Pressekonferenz | Gutachten zum überdimensionierten Netzausbau

von Prof. Dr. Lorenz J. Jarass | Rechtsanwalt Wolfgang Baumann

In der Ausgabe des "Boten" vom 18.01.2020 wird unter der Überschrift "Der kleine Bürger zahlt die Trassen" über ein Gutachten von Prof. Dr. Lorenz J. Jarass und Rechtsanwalt Wolfgang Baumann zum überdimensionierten Netzausbau berichtet. 

 

Ihr Ergebnis: Da dem aktuellen Netzentwicklungsplan (NEP) keine Kosten-Nutzen-Analyse zugrunde liegt, sind die im NEP aufgelisteten Leitungsprojekte bei ihrer Realisierung allesamt „Schwarzbauten“. Die bislang unkalkulierbaren Kosten behindern in letzter Konsequenz den dezentralen Ansatz der Energiewende.

 

In dem Austausch innerhalb des Lenkungsausschusses der BI-Allianz P53 über den Inhalt des Artikels kristallisierte sich heraus, dass man Punkte der Argumentation durchaus teile, sich aber gerade dann nach unserer Einschätzung an den Konsequenzen für die Juraleitung nichts ändern wird. Gerade dann, wenn diese Argumentation dazu führen würde, dass einzelne Neubauten erneut zur Disposition stünden, würde erst recht die "Bestandsleitung" Juraleitung aufgerüstet. Wenn nicht aus Gründen des NEP, dann aus Gründen des Alters der Leitung (80 Jahre) und der allgemeinen Risikoaversion der Politik für potenzielle Blackouts in Verantwortung genommen zu werden.

 

Bestandsleitungen werden in dieser Diskussion unseres Erachtens (leider) den Kürzeren ziehen. Wenn wir nicht JETZT für die Interessen der Wohnbevölkerung der Juraleitung bei Raumordnungsbehörden, Kommunalvertreter und Netzbetreiber, etc.  eintreten, wird es sobald die Verfahren begonnen haben (die Antragsunterlagen für das Raumordnungsverfahren sollen Ende 2020 bei den raumordnenden Behörden vom Netzbetreiber TenneT eingereicht werden), zu spät sein. Frühzeitig sich einbringen und Abstände für die Bevölkerung sicherstellen für den Fall dass "alle Stricke reißen".  Ausschließlich auf eine Blockadestrategie zusetzen, wird dazu führen, dass die Bewohner mit der geringsten Lobby zu den Verlierern gehören werden.

 

Unser solidarisches Ziel für den Eintritt des schlimmsten Falles muss es aber sein, dass NIRGENDWO der Mindestabstand unterschritten wird – weder bei Frei- oder Erdleitung, egal bei welchem Verlauf. Dafür lassen wir uns auch gerne von dritter Seite kritisieren, weil es moralisch integer und richtig ist sich auch für andere einzusetzen und nicht zuzusehen, wie deren Rechte von Politik und Wirtschaft beschnitten oder gar übergangen werden.

 

Dies bedeutet nicht, dass wir den gegenwärtigen Netzausbau gutheißen, unsere Haltung ist aber vor allem dem Vorsorgeprinzip geschuldet, das scheinbar die Politik für ihre Bevölkerung nicht mehr wahrnehmen möchte. Wir denken und argumentieren in politischen und damit verbundenen wirtschaftlichen Wahrscheinlichkeiten. Wir haben nicht unendlich Zeit für Fundamentaldiskussionen des Netzausbau, so berechtigt sie auch sein mögen.

 

Diese Fundamentaldiskussion ist ja auch nicht wirklich neu, sie dauern bereits seit vielen Jahren an, ohne dass sich wirklich etwas nachhaltig verändert hätte (unsere BI Winkelhaid ist bereits im 9. Jahr tätig). 

 

Der Zug für die Aufrüstung der Juraleitung ist seit ihrer Gesetzgebung im Jahr 2015 bereits losgefahren. Für uns heißt es inzwischen den Plan B zu ergreifen, um vor allem die Wohnbevölkerung der Juraleitungsregion in unserem Einzugsbereich von Raitersaich bis nach Dietfurt vor den Folgen des ansonsten ohne Bürgerbeteiligung durchgeführten ungeregelten Netzausbaus zu schützen. Wir mischen uns daher ein und bleiben daher auch mit dem Netzbetreiber, Ministerien und Raumordnungsbehörden in Kontakt. Ob sich der Einsatz lohnt, wird sich erst im Rahmen des Raumordnungs- und dem sich daran anschließenden Planfeststellungsverfahren herauskristallisieren. Würden wir es unterlassen, würden wir im Nachgang es sicherlich bereuen es nicht getan zu haben. So haben wir zumindest alle Optionen ausgeschöpft.

 

Angesichts des neuen Gutachtens sehen wir keine Notwendigkeit einer Korrektur unseres Zielhorizontes, begrüßen aber die Diskussion, die durch solche Gutachten angestoßen wird.

 

Noch zielführender wäre es, wenn die Wissenschaft bei ihren Verlautbarungen stärker zwischen Neu- und Ersatzneubau differenzieren würde – wir würden uns in unserer Region viele Reibungsverluste innerhalb der Bürgerschaft, aber auch zwischen den Kommunen und Landkreisen ersparen. 

 

Eine abschließende Beurteilung ist selbstredend erst nach ausführlicher Lektüre des vorgelegten Gutachtens möglich.